Akten digitalisieren und scannen lassen – warum nicht gemeinnützig?
Wer Papierakten und Belege seines Unternehmens als Scan digitalisieren lassen möchte, hat je nach Region mehr oder weniger Scandienstleister zur Auswahl. Im Zuge eines Projektes zur Digitalisierung von Produktakten habe ich mich in den vergangenen Monaten intensiv mit diversen Anbietern auseinandergesetzt. Was ich bis dato nicht wusste: Auch Werkstätten für Menschen mit Behinderung bieten Digitalisierungsdienstleistungen für Unternehmen in eigens dafür eingerichteten Digitalisierungsgruppen an. Wer einen Auftrag an diese Dienstleister vergibt, stärkt nicht nur das soziale Engagement seines Betriebes, sondern kann gleichzeitig gehörig sparen. 50% der beauftragten Lohnkosten lassen sich auf die sog. Ausgleichsabgabe anrechnen.
Vertrauliche Dokumente in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung scannen – ist das seriös?
Datenschutz und Datensicherheit stehen bei einem Digitalisierungsprojekt mit externen Dienstleistern immer im Fokus. Niemand möchte, dass vertrauliche Dokumente in unbefugte Hände geraten und nicht vertrauenswürdige Personen Kenntnis über sensible Inhalte erlangen. Sämtliche gewerbliche am Markt verfügbaren Dienstleister haben das natürlich erkannt und werben mit Ihren Vorkehrungen zum Datenschutz: Mit Zertifikaten, Zutrittskontrollen und anderen ergriffenen Maßnahmen. Ihr Marketing ist offensiv und laut.
Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) hingegen, gehen mit den angebotenen Dienstleistungen kaum hausieren. Da gibt es häufig keinen Hinweis auf die Digitalisierungsdienstleistungen auf den Webseiten, keine öffentliche Werbung und erst recht keinen proaktiven Vertrieb. Ich selber habe erst von Bekannten von der Möglichkeit erfahren, die Scandienstleistungen auch in einer diakonischen Werkstatt für Menschen mit Behinderung durchführen lassen zu können.
Vergleicht man also das Marketing der gewerblichen Anbieter mit dem der WfbM, dann könnte man den Eindruck gewinnen, dass die gewerblichen Anbieter hier professioneller agieren.
Doch sich nur auf das Marketing und die Außenwirkung dieser Anbieter zu verlassen und daraus Rückschlüsse auf die Qualität und Sicherheit der Scandienstleistung zu ziehen, wäre ein Fehler. Bei genauerer Auseinandersetzung mit den angebotenen Dienstleistungen wird schnell klar, dass sich auch die gemeinnützigen Werkstätten an geltendes Recht halten müssen und ebenfalls hohe Standards einsetzen um wettbewerbsfähig zu bleiben. Gerade in Zeiten von EU-DSGVO kann sich wirklich kein Dienstleister hiervor verstecken, egal ob gewerblich oder aus dem sozialen und gemeinnützigen Bereich.
Nach den ersten Telefonaten und persönlichen Gesprächen mit den jeweiligen Ansprechpartnern wurde mir klar, dass es zwar durchaus Unterschiede zu so manchem gewerblichen Anbieter gibt, diese aber in vielen Fällen verkraftbar oder sogar wirtschaftlicher sind: Während ein großer deutscher Digitalisierungsdienstleister diverse Flugzeughersteller und Rüstungskonzerne als Referenzen anführt, beschränken sich die Referenzen der gemeinnützigen Digitalisierungsgruppe auf lokale, dennoch durchaus große und namhafte, Unternehmen, Gemeinden und sogar Behörden in einem Umkreis von 200km. Schon hier wird klar, dass es allein aufgrund der Kundenstruktur selbstverständlich Unterschiede in der Durchführung geben wird.
Doch braucht man während eines Digitalisierungszeitraumes von 3-4 Monaten wirklich einen Dienstleister, welcher die Akten in dieser Zeit in einem säureresistenten Luftschutzbunker mit Bodenwanne gegen Grundwassereindringung lagert? Und wenn man diese Eigenschaften nicht braucht, ist man dennoch dazu bereit für diese Vorkehrungen zu zahlen? Diese Fragen muss sich jeder potentielle Auftraggeber selbst beantworten. Sicherlich gibt es für derart hohe Anforderungen gute Gründe und Einsatzgebiete, vielen Unternehmen hingegen reicht die sichere Aufbewahrung der Akten bei angemessenem Schutz und Sicherheit.
Fakt ist, dass auch die Werkstätten für Menschen mit Behinderung hohe Anforderungen an Mitarbeiter und Technik stellen. So werden nur Mitarbeiter für diese Arbeit eingesetzt, die nach interner, psychologischer Prüfung dafür auch geeignet und vertrauenswürdig sind. Zutrittskontrollen, Beaufsichtigung und Sicherheitsmechanismen gehören auch hier zur Selbstverständlichkeit. Überrascht hat mich auch die technische Ausstattung des von uns betrachteten, sozialen Anbieters. Große Scancenter namhafter Hersteller verrichten Ihren Dienst und nicht auch nur eine unserer technischen Anforderungen an das spätere digitale Dokument blieb unerfüllt.
Wer auf Nummer Sicher gehen möchte, der sollte die folgende Checkliste zu Datenschutz und Datensicherheit beherzigen, egal welche Art von Scandienstleister letztlich beauftragt wird.
Checkliste für Datenschutz und Datensicherheit
- Ist der Lagerort der Akten und der Digitalisierungsraum der Akten durch Zutrittskontrollen gesichert?
- Ist der Lagerort der Akten und der Digitalisierungsraum der Akten ausreichend vor Einbruch und Diebstahl geschützt?
- Ist eine funktionierende Alarmanlage vorhanden?
- Ist ein Sicherheitsdienst mit der Sicherung des Objektes beauftragt?
- Ist ausgeschlossen, dass durch Hochwasser Schäden an den Dokumenten hervorgerufen werden können?
- Ist ausgeschlossen, dass durch Feuer Schäden an den Dokumenten hervorgerufen werden können?
- Ist eine funktionierende Brandmeldeanlage im Einsatz?
- Ist sichergestellt, dass keiner der Mitarbeiter Inhalte von Akten abfotografiert?
- Ist sichergestellt, dass keiner der Mitarbeiter Kameras oder Smartphones während des Zugriffs auf die Dokumente mit sich führt?
- Sind die EDV-Systeme des Dienstleisters ausreichend sicher und aktuell, sodass keine Daten abgezogen werden können?
- Befinden sich die EDV-Systeme des Dienstleisters in einem eigenen, weder von intern, noch von extern erreichbaren Netzwerk?
- Ist ausgeschlossen, dass Scansysteme von XEROX mit veralteter Firmware eingesetzt werden, welche Daten beim Scan fälschlich manipulieren?
- Besteht die Möglichkeit, dass Dokumente direkt nach dem Scan per SFTP auf einen Server des Auftraggebers geschoben werden und nicht digital beim Digitalisierer vorgehalten werden als nötig?
- Ist (zum Beispiel durch Wiegen) sichergestellt, dass alle Dokumente nach dem Scan wieder lückenlos zurückgeliefert werden?
50% der beauftragten Lohnkosten sparen
Unternehmen, welche nicht die gesetzlich vorgeschriebene Anzahl schwerbehinderter Menschen beschäftigen, müssen in Deutschland die sogenannte „Ausgleichsabgabe“ (auch als Schwerbehinderten-Abgabe oder Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe bezeichnet) bezahlen. Die Ausgleichsabgabe wird dabei vom § 160 SGB (Schwerbehindertengesetz) IX Arbeitgeber geregelt.
Wenn das eigene Unternehmen verpflichtet ist, diese Abgabe zu entrichten, lassen sich Aufträge an Werkstätten für Menschen mit Behinderung unter Umständen auf diese Abgabe anrechnen. Wer also ohnehin die Abgabe zahlen muss, erhält mit der Beauftragung einen echten Mehrwert anstatt die Abgabe einfach nur zu zahlen.
„Butter bei die Fische“ – wo kann ich mich nach diesen Dienstleistungen erkundigen?
Fragen Sie doch mal bei der „Diakonie Stiftung Salem gGmbH“ und den Diakonischen Werkstätten Minden an. Fragen Sie gezielt nach dem vertrieblichen Ansprechpartner für die Digitalisierungsgruppe.
Zum Hintergrund dieses Beitrags
Dieser Beitrag entstand aus reiner Nächstenliebe. Weder pflege ich Geschäftsbeziehungen zu den genannten Institutionen, noch wurde dieser Beitrag in irgendeiner Form bezahlt. Mir ist lediglich aufgefallen, dass die Dienstleistungen der WfbM selten offen und transparent kommuniziert werden und ich fragte mich, warum dies der Fall ist. Kaum jemandem ist bewusst, was die Menschen dort eigentlich leisten und welche Dienstleistungen man auch als Unternehmen in Anspruch nehmen kann. Schade, dass die Werkstätten Ihre guten Leistungen nicht viel offensiver an den Kunden tragen. Vermutlich liegt dies einfach an einem nicht ausreichenden Marketing, resultierend aus einem zu geringen Marketingbudget der Werkstätten. Dieser Artikel ist mein Beitrag zur Steigerung der Bekanntheit dieser Dienstleistungen. Jetzt sind Sie, lieber Leser, an der Reihe einen Beitrag für unsere Gesellschaft zu leisten.