Griechenland Region Pieria, Katerini Sommer 2016

Den Sommeruralub 2016 nahm ich zum Anlass einmal über die Region Pieria an der Ägäisküste Griechenlands, knapp 100km südlich von Thessaloniki zu schreiben. Kulinarisch, kulturell und landschaftlich hat die Region einiges zu bieten, was nicht unbedingt in den Reiseführern  auftaucht und was man als nicht einheimischer möglicherweise auch garnicht kennenlernt. Nach zweimaligem Besuch der Region will ich mich nicht als Insider und großer Kenner der Region darstellen, einen kleinen Reise-Tipp-Blogeintrag traue ich mir aber trotzdem zu.

Die Region Pieria ist neben der Landwirtschaft im Inland hauptsächlich vom Tourismus an der Küste geprägt. Kleine Küstendörfer mit ursprünglich wenigen oder garkeinen Einwohnern wurden in den 60er und 70er Jahren teilweise regelrecht umtransformiert. Hotels, Restaurants und Appartementhäuser wurden aus dem Boden gestampft. Kein Wunder, denn beständiges Urlaubswetter während der Sommermonate, die Nähe zu tollen Stränden, dem Olymp oder archäologischen Ausgrabungen verleihen der Region ihren touristischen Reiz.

blick auf den olymp von olympic beach

2014 kam ich das erste Mal hier her. Meine Freundin war von Kindesbeinen fast jedes Jahr hier, ich selbst betrat damals mit der Landung in Thessaloniki Neuland. Als Nordlicht war ich bisher eher in rauheren und kälteren Gefilden jenseits des Massentourismus unterwegs.

Nach ca. 120 Kilometern Autofahrt von Thessaloniki richtung Süden erreichen wir Katherini. Wenige Kilometer östlich von Katherini wiederrum liegt einer dieser „umtransformierten“ Ferienorte: Olympic Beach, ehemals ein Dörfchen namens Katerinoska. Hier wohnen wir in einer Strandvilla eines befreundeten Ehepaars. Das ausserhalb des Zentrums gelegene Haus macht es mir leicht mich hier trotz fortgeschrittenem Tourismus wohlzufühlen. Ringsum ist von Urlaubern nur sehr wenig zu sehen und zu hören. Es ist ruhig, die Unterkunft gross und der eigene Garten schlägt jede Hotelaussicht. 

haus in olympic beach

Besonders angetan hat es mir die Aussendusche – in der Einfahrt des Hauses versteckt befindet sich eine Wand aus dichtem Efeu. Man könnte meinen hier sei die Einfahrt zu Ende, doch wenn man dahinter schaut, befindet sich dort eine weitere bewachsene Mauer, dazwischen die Außendusche im Grünen. Wir wohnen also eher wie die Einheimischen, weit ab vom Trubel.

Nachts streiten sich die Grillen und der Wind in den Bäumen und Kiwiblättern darum, wer von Ihnen lauter ist, ab und zu bellen Hunde in der Ferne.

Der Charme des Verfalls

In einem kleinen Markt in Olympic Beach hängt ein altes Foto vom Bau des ersten grossen Gebäudes 1986 in „Olympic Beach“. Es zeigt einen Rohbau, Bagger und einen Strommasten und ansonsten viel Sand und karge Flächen bis zum Meer.

olympic beach 1986

Seit diesem Bild hat sich einiges getan. Es gibt vier Strassen parallel zum Strand. In den ersten finden sich Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten, in den Strassen Richtung des Landesinneren finden sich fast ausschliesslich Hotels und Appartementhäuser. Kurzum: Wer Tradition und traditionsreichen Fischerdorfcharme sucht, der ist hier falsch. Und genau das war mein grösstes Bedenken als ich 2014 erstmals hier Urlaub machte. Ich hatte Bedenken weil ich nach den ersten Erzählungen meiner Freundin Angst vor einem Pauschalurlaubsfeeling in einer Touristenhochburg hatte.  

Es ist auch definitiv schwer, den (Massen-)Tourismusfaktor hier komplett auszublenden, schliesslich lebt die Region grossteils genau hiervon. Wer Abends die Restaurants und Spaziermeilen der Touristenstädte Olympic Beach und Paralia besucht, der merkt, dass sich das Angebot oft an den Wünschen osteuropäischer Urlauber orientiert. Serben, Rumänen und Bulgaren kommen gern in diese Region.

Die derzeitige, wirtschaftliche Lage (2016) Griechenlands und die Ausrichtung der Touristenstädte an o.g. Zielgruppen schaffen ein ganz besonderes Flair. 

touristenmagnet in paralia

Ein bisschen steht hier die Zeit still. An vielen Gebäuden ist ein Investitionsstau nicht spurlos vorbeigegangen. Die Städte erinnern im Jahr 2016 an deutsche Ostseedörfer wie Niendorf, oder ein Timmendorfer Strand Anfang der 90er Jahre, bevor die grossen Investoren kamen und das Stadtbild „glattleckten“.

Beim genauen Blick auf Infrastruktur und Bebauung fallen mir manchmal leerstehende oder zerfallende Gebäude auf. Hier gab es schonmal bessere Zeiten, zweifelsohne. Auf dem ungefähr 2 Kilometer langem Küstenweg von Olympic Beach nach Paralia stehen einige Strandbars leer und zerfallen langsam. Nach jahrelang aufgebauten Steuerlasten wurden diese Läden irgendwann von den Finanzbehörden geschlossen und die Betreiber sahen sich nicht mehr in der Lage in Zukunft gewinnbringend zu arbeiten.

verfallene strandbar

Beim Anblick dieser Bilder fühle ich mich manchmal wie auf Rügen, Zinnowitz, kurz nach der Wende. Dieser Zerfall hat seinen eigenen seltsamen Charme.  Ganz sicher gefällt dieser Charme nicht jedem gleich und auch manchem sicherlich garnicht. Auch für mich war es die ersten zwei Urlaubstage hier damals durchaus befremdlich. Aber ich habe das Gesamtbild dann schnell schätzen gelernt.
Es ist wie es ist – und diese Region ist mit all ihren Problemen und kleinen Makeln glaubwürdiger und echter als jedes deutsche herausgeputzte und maskierte Ostseebad. Ganz besonders wenn die warmen Strassen abends ins bunte Licht der Restaurants und Hotels tauchen.

strasse paralia

Um wieder einen Vergleich mit Rügen nach der Wende aufzubauen: Hier liegt, ähnlich wie damals, unheimliches touristisches Potential brach. Auch weil noch viel Potential ruht gewinnt hier im Gesamteindruck die Bodenständigkeit und das Einfache gegen die ganz grosse touristische Profitgier.  

Dennoch, einige hundert Meter weiter sieht man, dass der Tourismus doch zu funktionieren scheint. Strandbars mit toller Ausstattung, angeschlossenen Hotels und makellosen Aussenanlagen überleben trotz wirtschaftlich schwerer Zeiten und vermitteln trotz wirtschaftlicher Schieflage des Landes eine verhaltene Aufbruchsstimmung.

sofranos bar paralia  

Viele Jahre lang habe ich die ungezwungenen Sommerurlaube am Timmendorfer Strand als Kind vermisst. Damals in den 90ern mit meinen Großeltern und Eltern, bevor die grossen Massen von Yuppies kamen.

Hier in Pieria, Olympic Beach, habe ich genau dieses Gefühl von damals wiedergefunden. Auf dem Weg zum Brötchen holen gehe ich hier morgens in Seitenstrassen immer noch an Mülltonnen vorbei zum Kiosk. Nicht an kameraüberwachten Tiefgarageneinfahrten und High-Society-Schmuckläden. Parks erleuchten abends im Licht einfacher Glühbirnen, nicht im Licht ausgeklügelter Designer-LED-Strahler.Hier gibt es Mittags am Strand keinen Scavi&Ray in der Sektbar. Versteht mich nicht falsch: Auch ich mag Sektbars und Design-LED-Strahler, aber die Eindrücke meiner Kindheitserinnerungen finde ich eben nur hier wieder: Hier gibt es am Strand mittags Pommes und für die Kinder ein Langnese-Eis. Die Luft riecht nach Meer und Sonnencreme. Eben wie früher, damals als ich klein war.

 kapelle am strand olympic beach

Küche für Touristen – und für Genießer

Wer  mich kennt weiß, dass ich Orte gern in erster Linie mit Ihren kulinarischen Vorzügen in Verbindung bringe. Wenn andere von Ihren Urlauben erzählen, erzählen sie zunächst von Sehenswürdigkeiten und Aktivitäten. Ich erzähle gerne vom Essen. Und da gibt es hier eine Menge zu berichten.

essen am strand in paralia

Oftmals findet man in Touristenzentren Speisekarten, die nicht zwangsläufig das repräsentieren was für die Region typisch ist.

Gewissermaßen ist das hier in Paralia und Olympic Beach ähnlich. Auch wenn sich selbstverständlich 65% des Speiseangebots auf frische Meeresfrüchte und landestypische Fleischgerichte beziehen, so bilden die restlichen 35% eher eine solide Grundlage für den kulinarisch nicht sonderlich entdeckungswütigen Urlauber. Da finden sich Pizza und Nudelgerichte und auch oft Gerichte speziell für den Geschmack der osteuropäischen Urlauber. So gibt es hier rumänische Kuttelsuppe. Die Gäste sollen sich schließlich wie zu Hause fühlen. 

Lustige Anekdote zur Kuttelsuppe: Im einem der Restaurants sahen wir an den Nebentischen, dass häfig eine bestimmte Suppe bestellt wurde. Wir dachten uns, die müsse man einmal probieren, schließlich findet sie reißenden Absatz. Als wir die Suppe bestellten sagte uns die sehr gastreundliche Chefin des Hauses frei übersetzt so etwas wie „Die wollt ihr nicht essen. Nehmt lieber was anderes. Das haben wir nur für die Rumänen.“ Man merkt also, gerade in den touristischen Zentren wird das Angebot, wie überall anders auf der Welt auch, sehr speziell auf die Urlaubsgäste abgestimmt. Das ist manchmal fast ein bisschen schade.

Doch wenn man sich nur wenige Kilometer ins Inland begibt, dann entdeckt man wahre kulinarische und kulturelle Schätze der Gastronomie.

Ein großes Highlight des gesamten Urlaubs war das sogenannte „Tsiporou Mese“. Ein Mittagessen, bei dem der Gast ein Getränk bestellt und dazu 3 oder 4 Teller mit regionalen Spezialitäten bekommt. Als Getränk kommt häufig der schon im Namen enthaltene „Tsiporou“ zum Einsatz, ein an Ouzo erinnernder Tresterbrand. Auf Volleis gekühlt entwickelt er ein süßes Aroma, er schmeckt äußerst mild und passt perfekt zum herzhaften Essen. Wer lieber etwas nicht so prozenthaltiges zum Essen trinkt bekommt natürlich auch ein Bier oder andere Alternativen zum „Tsiporou Mese“.

Wenn vier Gäste an einem Tisch „Tsiporou Mese“ bestellen, dann finden sich also schnell 16 Teller mit unterscheidlichen Spezialitäten auf dem Tisch. Jeder probiert von jedem Teller, es wird Brot geteilt und Speisen werden hin- und hergereicht. Sowohl kulinarisch als auch kulturell wertvoller und intensicer als jede Touristenspeisekarte.

Das beste Tsiporou Mese gibt es in unseren Augen allerdings hier: ΤΣΙΠΟΥΡΑΔΙΚΟ „ΓΙΩΡΓΟΣ“

tsiporou mese

Ich will sagen, auch in den Touristenorten bekommt man hier größtenteils regionale Spezialitäten, doch gerade abseits der Touristenzentren im Landesinneren findet man in kleinen Tavernen mehr Auswahl und häufig ein besserer Preis- / Leistungsverhältnis. Hier kommt es dann nicht mehr auf die Portionsgröße für die hungrigen Urlauber an, hier zählt dann eher die Qualität. Dazu findet man hier eine größere Auswahl an Gerichten und Spezialitäten, die für den normalen Urlauber anscheinend uninteressant sind, zumindest wenn man den Speisekarten in den Touristenzentren Glauben schenkt.

Lobend zu erwähnen sei hier auch die kleine Taverne Το Κουτούκι του Νικόλα. Hier sitzt der Besucher in einer echten kleinen griechischen Taverne mit halboffenem Restaurantbereich. Ob man nun überdacht sitzt oder im grünen Garten, die Bedienung ist stets herzlich, auf bei sprachlichen Barrieren. Noch nie habe ich so feines Hackfleisch gegessen, wie im hier überbackenen Bifteki. Und wenn wir schonmal vom Hackfleich reden: Nicht typisch griechisch aber wirklich gut sind auch die Burger. Vorweg einen Scheewittchen-Salat. Frischer Salat mit Tomaten, die nach Sonne schmecken, Maisbrotcroutons und überhäuft mit geriebenem, weißen Käse. Angenehme Besonderheit hier: Einige in der Region lebende Deutsche haben hier die griechische Speisekarte übersetzt. Fragt also nach „der deutschen Karte“. Und dann schaut mal an die Wände im Innenhof – hier tummeln sich abends kleine Eidechsen, die auf den von der Sonne aufgewärmten Wänden Ausschau nach Insekten halten. Ein toller Ort.

toiniko