Passend zur anstehenden Europawahl möchte Herr Axel Voss (MdEP, CDU) wohl nochmal die Wogen glätten und diejenigen beschwichtigen, die ihm im Vorfeld der Abstimmung zur EU-Urheberrechtsreform Kritik geäußert haben. Er spricht weiterhin von Internetkampagnen, die durch „die großen amerikanischen Internetfirmen“ initiiert worden seien und denen viele Menschen „auf den Leim gegangen“ seien. Er könne nur mit dieser nicht individualisierten Mail antworten, da er in den vergangenen Wochen mehrere tausend Anfragen, Meinungsäußerungen und auch Beschimpfungen und Bedrohungen zu dem Thema erhalten habe. Unglaublich: Da macht man mal ein bisschen das Internet kaputt, schon rasten alle aus.

Den ganzen Erguss könnt Ihr hier im Wortlaut lesen.

Im Folgenden die am 02.05.2019, 11:41 Uhr empfangene Antwortmail unseres CDU-Europaparlamentsmitglieds Axel Voss. Meine Lieblingsstellen sind gelb markiert. Besonders schön, die pinke Markierung, da hat sich die FAZ nochmal richtig ordentlich beim Axel bedankt. 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre Mail zur Reform des EU-Urheberrechts.

Da ich in den letzten Wochen mehrere tausend Anfragen, Meinungsäußerungen und auch Beschimpfungen sowie Bedrohungen zu dem Thema erhalten habe, war es meinen Mitarbeitern und mir leider nicht möglich, diese Zuschriften und Fragen während der umfangreichen Beratungen und Diskussionen zum europäischen Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt zeitnah zu beantworten.

Auch bitte ich um Verständnis, dass es aufgrund dieser Menge auch nach Abschluss der Beratungen nicht möglich ist, auf die vielen tausend Anfragen individuell eingehen zu können.

Auf diesem Weg möchte ich deshalb auf die vielen ernst gemeinten Zuschriften antworten und möglichst viele Fragen und Aspekte abdecken.

Vorab ein paar generelle Hinweise: In den vergangenen Monaten hat es ganz offensichtlich Internetkampagnen gegeben, u.a. unterstützt und gesponsert durch die großen amerikanischen Internetfirmen, denen leider sehr viele Menschen „auf den Leim“ gegangen sind. Mit dem Beschluss über die Richtlinie zum Urheberrecht wird nach der Datenschutzgrundverordnung ein zweiter Schritt zur Anpassung des bestehenden europäischen Rechts für den waren- und Dienstleistungsverkehr an die moderne Internet- und Digitalwirtschaft unternommen. Dieser Schritt ist längst überfällig, da die großen Internetkonzerne auf der Grundlage der eCommerce-Richtlinie bisher als reine Plattformen agieren, obwohl sie durch eine Vielzahl von Filtermechanismen wirtschaftlichen Interessen ihrer Nutzer herausfinden und mit Milliardengewinnen verwerten, ohne dass das Eigentumsrecht anderer respektiert worden ist und eine Zustimmung zu diesem Geschäftsmodell gegeben wurde.

Es geht gerade auch um die Zukunft der jungen Generation, wenn diesen Internetgiganten ganz normale rechtliche Schranken gezogen werden. Allein gegen Google sind 8,2 Milliarden Euro an Bußgeldern von der europäischen Union in den letzten zwei Jahren verhängt worden, weil sie den Wettbewerb gerade mit Start-Ups und mittleren Unternehmen drastisch unterbunden haben. Gerade weil die Digitalwirtschaft zu einer weiteren Revolution der Gesellschaft führen wird, ist es notwendig, dass die Rahmenbedingungen so gestaltet sind, dass ein fairer Wettbewerb und eine Mitfinanzierung der Demokratien, des Sozialstaates und der öffentlichen Infrastruktur durch diese Konzerne stattfinden kann.

Im Einzelnen:

Notwendigkeit der Reform des EU-Urheberrechts

Nach 18 Jahren war die Reform des EU-Urheberrechtes dringend geboten, denn das Internet und der Umgang mit geschützten Werken hat sich massiv verändert – mit erheblichen Auswirkungen auf urheberrechtliche Fragen.

Das Recht auf geistiges Eigentum muss auch online gelten. Rechteinhaber wie Künstler, Musiker oder Journalisten haben ein Recht auf faire Vergütung. Deshalb sollen sich zukünftig nicht mehr die Nutzer, sondern die Plattformbetreiber um den Urheberrechtsschutz kümmern.

Die aktualisierte Richtlinie schafft deshalb auch kein neues Recht, sondern überträgt nur das, was in der analogen Welt schon lange gilt, auf die digitale Ebene.

Zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit Europas gehört auch ein funktionierender Urheberrechtsschutz!

Art. 17 (vorher Art. 13)

Hier geht es darum, dass Online-Plattformen, die Gewinn durch die Verwendung von urheberrechtlich geschützten Werken machen, auch die Verantwortung für die hochgeladenen Inhalte tragen sollen. (siehe auch Art. 2.5 zur Definition dieser aktiven Plattformen)

Die viel diskutierten Upload-Filter sind im Gesetzestext nicht enthalten. Es geht auch nicht darum, dass Uploads verhindert werden sollen, sondern das kommerzielle Plattformen endlich lizensieren (z.B. über Verwertungsgesellschaften).

Wenn also Lizenzen vorliegen, müssen große Plattformen „nur“ verhindern, dass solche Werke hochgeladen werden, für welche die Rechteinhaber konkret mitgeteilt haben, dass sie nicht ihren Webseiten erscheinen sollen. Dies bedeutet, dass z.B. eine solche Identifizierungssoftware nur auf die Daten reagieren müsste, welche die Rechteinhaber vorher den Plattformen zur Verfügung gestellt haben. Es können  dann also auch nur diese Werke beim Upload erkannt werden. Für Plattformen, die jünger als drei Jahre sind, gibt es überdies eine Sonderregelung, wenn sie weniger als zehn Millionen Euro Jahresumsatz und fünf Millionen Klicks haben.

Für detaillierte Informationen übersende ich in der Anlage ein FAQ zu den wichtigsten Fragen zum neuen Urheberrecht, das sich auf Art. 15 und 17 bezieht. Ebenso erhalten Sie einen Artikel aus der FAZ vom 13. März 2019 unter dem Titel „Das Urheberrecht führt nicht zu Zensur“.

Europäisches Gesetzgebungsverfahren

Auch wenn ich als Berichterstatter des Europäischen Parlaments immer wieder als Person mit dieser Richtlinie verbunden werde, bleibt festzustellen, dass das neue Urheberrecht in einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren mit demokratischen Mehrheiten verabschiedet worden ist.

Dies bedeutet: die Europäische Kommission hat einen Vorschlag für eine Richtlinie unterbreitet, der über zwei Jahre sehr kontrovers in verschiedenen Gremien debattiert wurde und schließlich mit zahlreichen Änderungen von einer Mehrheit des Europäischen Parlaments und der Regierungen der Mitgliedstaaten im Ministerrat verabschiedet worden ist. Es handelt es sich hierbei also um einen demokratischen Prozess, der die Mehrheiten der gewählten 751 Europaabgeordneten und der gewählten 28 nationalen Regierungen widerspiegelt.

In der Anlage übersende ich die deutschsprachige Fassung der beschlossenen Richtlinie, die 118 Seiten umfasst.

Nationale Umsetzung

Die Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie nun innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umsetzen. Die deutsche Bundesregierung hat in einer Protokollerklärung, die ich ebenfalls in der Anlage (beginnt auf Seite 2) beigefügt  habe, deutlich gemacht, dass es bei der Umsetzung Ziel sein soll, „Upload-Filter weitgehend unnötig zu machen”.

Ich hoffe sehr, Ihnen mit diesen Informationen einige Hintergründe und Details der Diskussion näher gebracht zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Axel Voss MdEP