Die Transrapid-Technologie vergammelt im Emsland

Im Emsland sahen wir uns die Überreste der verwahrlosten Transrapid-Versuchsstrecke-Emsland (TVE) an. Die einstige Spitzentechnologie hatte eigentlich das Potential den Personenverkehr zu revolutionieren. Was aus ihr geworden ist, seht Ihr im Video.


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Das 1969 gestartete Transrapidprojekt war ein Vorzeigeprojekt deutscher Ingenieurskunst. Die in Deutschland entwickelte Magnetschwebebahn erreichte Höchstgeschwindigkeiten bis 450 km/h.

Im Frühjahr des Jahres 2006 konnte ich mich glücklich schätzen, selbst einmal im Transrapid auf der Transrapid-Versuchsanlage Emsland  mitzureisen. Damals war das Besucherzentrum regulär geöffnet, Ausstellungen und Informationstafeln informierten die Besucher über diese zukunftsträchtige Technologie. Über das grüne Treppengebäude gelangte ich zum Bahnsteig und zusammen mit meinem Vater und Großvater nahm ich in einem der Züge Platz. Wir fühlten die wahnsinnige Beschleunigung des über den Betonträgern schwebenden Zuges. Auf der fast 32km langen Teststrecke erlebten wir den unvergleichlichen Fahrgastkomfort, die Ruhe im Zug und diese enorme Geschwindigkeit

Heute sind die Überbleibsel der Ausstellung und der Bahnsteig hinter eisernen Toren und Vorhängeschlössern verschlossen. Die auf dem Betriebshof verbliebenen Transrapidzüge vergammeln auf den Abstellgleisen. Einige Zugteile sind unter Planen verhüllt, Moos, Witterung und Vandalismus nagen an den Zügen. Die einstigen Transformatorenstationen rosten vor sich hin, obwohl man an einigen Stellen des Geländes noch das typische Surren einiger Trafostationen hören kann.



Der Transrapid war in der Lage, innerhalb von 60 s aus dem Stand auf 200 km/h sowie in weiteren 60 s von 200 km/h auf 400 km/h zu beschleunigen. Für eine Beschleunigung auf 300 km/h benötigte er dabei rund vier Kilometer Fahrtstrecke.

Im Gegenteil zu normalen Zügen, entstand beim Transrapid kein Rollwiderstand. Für den Antrieb waren keine Räder, Achsen, Antriebswellen oder Getriebe erforderlich.
Somit entfielen Reibungsverluste und Verschleiß eben dieser klassischen Eisenbahn-Bauteile. Durch den fehlenden Kontakt zur Schiene entstanden deutlich weniger Geräusche als bei einem regulären Zug.

Nach dem Beginn der staatlich finanzierten Entwicklung im Jahre 1969 wurden 1979 erste Prototypen vorgestellt. 1991 wurde dem Transrapid-System die sogenannte Anwendungsreife anerkannt. Das System war also von da an einsatzbereit und sollte den Zugverkehr für Personen und Güter revolutionieren.

In einem Transrapidzugverband konnten bis zu 1172 Personen Platz nehmen. Als reine Cargo-Variante hätte das System pro Zug eben so viel Last transportieren können, wie ein Airbus A380.

Warum hat sich dieses fortschrittliche System dennoch nie durchgesetzt?

Meine persönliche Meinung ist, dass wir Deutschen in Neuerungen häufig zuerst Bedenken sehen, bevor wir uns überhaupt mit Innovationen und Vorteilen beschäftigen. Allein der Bau der Teststrecke im Emsland wurde aufgrund diverser Bedenken von Bürgern, Naturschützern und Politikern erheblich verzögert. Planungsverfahren verliefen kompliziert und fehlender politischer Rückhalt kostete wertvolle Zeit für die erfolgreiche internationale Vermarktung.

Die Bereitschaft zur Einführung des neuen Systems bei etablierten Schienennetzbetreibern hielt sich stark in Grenzen. Zwar freute man sich über die Mitwirkung an diesem medienwirksamen und prestigeträchtigen Projekt, scheute aber gleichzeitig die Aufwände für die Umrüstung bestehender Trassen.

So wurden die innerdeutschen  Transrapid-Projekte Berlin–Hamburg, Metrorapid und ein Flughafenzubringer in München nach langjährigen Planungsphasen abgebrochen, ohne dass nur eine einzige produktive Referenzumsetzung erfolgte. Wie sollten wir der Welt diese Lösung verkaufen, wenn es dem Erfinderland schon nicht möglich war, das System selber in der Realität zu betreiben?

2004 wurde dann tatsächlich die einzige heute noch aktive Transrapidstrecke im Regelbetrieb in Shanghai in Betrieb genommen wurde. China hat geschafft, woran wir Jahrzehnte lang gescheitert sind. Eine Bankrotterklärung an die deutsche Innovationskraft.

Im Vergleich zu einem deutschen ICE-Halbzug, betrug der Energieverbrauch pro Sitzplatz bei einem Kilometer zurückgelegter Strecke und 300km/h Geschwindigkeit anstatt 44,4 Wh beim Transrapid nur 28,1 Wh. Aus ökologischer Sicht ein nicht zu verachtender Faktor, der heute interessanter als je zuvor erscheint.

Am 22. September 2006 dann ereignete sich auf der Transrapid-Versuchsanlage Emsland ein schwerer Unfall, bei dem 23 Menschen starben und zehn weitere verletzt wurden. Der mit 31 Personen besetzte Transrapid 08 war auf offener Strecke gegen einen mit zwei Personen besetzten Wartungswagen geprallt. Der Fahrdienstleiter hatte die Freigabe für den Werkstattwagen erteilt, obwohl der Transrapid 08 auf der Strecke unterwegs war.

57 Sekunden nach dem Start um 09:53 Uhr betätigte jemand die Notbremse, 25 Meter danach prallte der Zug mit 162 km/h auf das Werkstattfahrzeug. Der Aufprall war weit zu hören. Die in Leichtbauweise konstruierte Magnetschwebebahn bohrte sich unter den 60 Tonnen schweren Werkstattwagen. Dabei wurde das Dach des Transrapid an der Spitze des Zugs abgerissen und das Fahrzeug unter dem Werkstattwagen zusammengepresst. Das verkeilte Wrack schob sich noch etwa 300 Meter weiter über die Strecke, bevor es schließlich zum Stillstand kam.

Obwohl als Unfallursache menschliches Versagen festgestellt wurde und sich ein solcher Unfallhergang auch auf normalen Bahnnetzen hätte ereignen können, haftete dieser schreckliche Unfall dem Transrapidprojekt von diesem Moment an unweigerlich an. Ein weiterer unübersehbarer Kratzer im Lack des Marketings dieser Technologie.

Die Betriebserlaubnis für die Versuchsanlage wurde infolge des Unfalls zunächst aufgehoben, dann im Juli 2008 erneut erteilt. Ende 2011 lief die Betriebsgenehmigung für die Transrapid-Versuchsanlage im Emsland endgültig aus.

Die Überreste der einstigen Vorzeige-Technologie sind seitdem sich selbst überlassen. Die Tatsache, dass heute nicht einmal ein Museum mit Besichtigungsmöglichkeiten vorhanden ist, ist Sinnbild dafür, wie sehr diese Innovation seit Ihrer Erfindung vernachlässigt und verkannt wurde.